US-Einbürgerung: erst nach vier Jahren politischer Befragungen

Am 7. Dezember 1944, meinem Geburtstag, stellte ich dann diesen Antrag. Einen Monat darauf wurde ich zusammen mit ungefähr fünfunddreißig anderen Leuten zu einem Gespräch vorgeladen, das als Prüfung galt. Die anderen waren meist ältere Leute, die in vielen Fällen schon länger in Amerika lebten, aber noch fehlerhaft Englisch sprachen. Ich war der einzige Student. Alle außer mir wurden gefragt, ob sie vorbestraft seien; zwei waren es. Dann folgten einige sehr einfache Fragen über die amerikanische Geschichte und das amerikanische politische System. Der Beamte sagte, es sei nicht nötig, mir als Studenten solche Fragen zu stellen. Statt dessen unterhielt er sich mit mir über Montesquieu und die Gewaltenteilung. Dann ging er dazu über, mich als einzigen nach meinen politischen Ansichten zu befragen. Besonders wollte er wissen, welchen politischen Organisationen ich angehörte. Als ich ihm mitteilte, ich sei Mitglied der Studentengruppe Labor Rights an der University of Chicago, wollte er wissen, ob diese der Kommunistischen Partei nahe stünde, was ich verneinte. Jeder musste zwei Bürgen mitbringen, und einer meiner Bürgen, ein Theologiestudent, der mir behilflich sein wollte, sagte dem Beamten, dass Labor Rights zwar links von der Mitte stehe, aber betont antikommunistisch sei. Der Beamte entgegnete, er glaube nicht, dass eine Organisation, die links von der Mitte stehe, nicht auch kommunistisch sei. Er fragte mich dann, ob ich Mitglied der Kommunistischen Partei sei. Auch das konnte ich verneinen. Dann wollte er wissen, ob ich jemals an Veranstaltungen der American Youth for Democracy, der kommunistischen Studentenorganisation, teilgenommen hätte; auch hier hieß meine Antwort nein. Als er erwiderte, ich müsse die Wahrheit sagen, er akzeptiere keine Schutzbehauptungen, protestierte ich, dass ich ja schließlich unter Eid aussagte und er kein Recht habe, meine Aussage in Zweifel zu ziehen. Danach brach er das Gespräch ab.

Die Organisation Labor Rights wurde im Sommer 1944 an der Universität Chicago gegründet, um den Streik der Angestellten von Montgomery Ward, dem großen Versandhaus, zu unterstützen. Fast alle politischen Studentengruppen an der Universität schlossen sich ihr an und sie bestand auch nach dem Streik weiter. Nur die Kommunisten, die jeden Streik während des Kriegs ablehnten, griffen damals Labor Rights scharf an.

Vier Wochen später las ich in der Zeitung, dass die anderen Antragsteller eingebürgert worden waren. Ich hörte lange nichts von der Naturalisierungsbehörde, und jedes Mal, wenn ich mich erkundigte, wurde mir mitgeteilt, mein Fall werde noch untersucht. Mit der Zeit wurde es allerdings dringend, dass ich die Papiere bekam. Inzwischen waren wir verheiratet und wohnten in Akron. Wilmas Studentenvisum war abgelaufen und es drohte ihr die Ausweisung nach Kanada. Sie hätte dann einen Antrag auf Einwanderung stellen und mehrere Jahre in Kanada auf ein Visum warten müssen, weil sie, obwohl zu der Zeit Kanadierin, unter die tschechoslowakische Quote gefallen wäre.

Ich wandte mich also an Paul Douglas, der jetzt Mitglied des US-Senats war und im Sommer 1944 Fakultätsberater von Labor Rights gewesen war. Ich kannte ihn als jemanden, der in Sozial- und Rassenfragen sehr progressive Einstellungen vertrat. Als sein Referent in Chicago, der aus der Gewerkschaftsbewegung kam, mich zu einem Gespräch nach Chicago einlud, dachte ich, dass er mich ohne weiteres unterstützen würde. Was ich nicht wusste, war, dass ich mitten in einen Machtkampf zwischen dem linken und dem rechten Flügel innerhalb der United Public Workers geraten war, der Gewerkschaft, in der die Arbeiter des Hutchinson Commons organisiert waren. Douglas und sein Referent waren zwar in Sozialfragen liberal, aber gleichzeitig wie viele Anhänger der Demokratischen Partei kalte Krieger. Der Referent verwies mich an einen Gewerkschaftsfunktionär, der mich gute zwei Stunden ausfragte, bis er sich zufrieden gab. Darauf setzte sich Douglas für eine vorläufige Verlängerung von Wilmas Visum ein. Schließlich wurde mir mitgeteilt, dass ich zu einem erneuten Interview nach Chicago kommen sollte. Dort musste ich eine Liste aller Organisationen anfertigen, denen ich je angehört hatte. Nach einem längeren Gespräch gab sich der Beamte, der die Liste überprüfte, damit zufrieden, und einige Wochen später im November 1949 erhielt ich bei einer Zeremonie in Chicago meine Einbürgerungsurkunde. Wilmas Einwanderung verlief dann reibungslos.

Quelle: Zwei Seiten der Geschichte, S. 99 ff – Georg Iggers

Katalog-Nr.: T0131