Einige Tage später saßen wir in der Gaststätte im Leipziger Hauptbahnhof, als sich eine unbekannte Frau zu uns setzte. Sie hörte unser Gespräch und legte plötzlich die Plakette »Schwerter zu Pflugscharen« der unabhängigen Friedensbewegung der DDR auf den Tisch, wobei sie uns fragte, ob wir bereit seien, am folgenden Sonntag nach Finsterwalde in der Nähe von Cottbus zu kommen, um uns mit Kriegsdienstverweigerern zu treffen. Sie würde mit ihrem Pastor sprechen und uns am nächsten Tag kurz zurückrufen. Am Sonntag fuhren wir, wie ausgemacht, nach Finsterwalde. In Leipzig hatten wir nur den Klitzkes, zu denen wir absolutes Vertrauen hatten, von unserem Vorhaben berichtet. In Finsterwalde gab es gleich eine kleine Panne: Wilma konnte die Tür des Zuges nicht öffnen, ich stieg auf der anderen Seite aus. Der Zug fuhr mit Wilma weiter - nach Kalau. Unsere Gastgeber holten sie dann vom Kalauer Bahnhof ab. Am Nachmittag trafen wir uns im »Ökokeller« der Kirche mit 28 jungen Männern, die vorhatten, entweder Bausoldaten zu werden oder den Wehrdienst total zu verweigern. Am Abend fand ein Gespräch mit ungefähr 35 Gemeindemitgliedern in der Kirche statt. Der Pastor sagte uns stolz, dass kein Spitzel in der Gruppe sei. Wir übernachteten bei einem Ehepaar aus der Gemeinde, selbstverständlich ohne uns in das Hausbuch einzutragen.
Quelle: Iggers, Zwei Seiten der Geschichte, S. 221