Die so genannte »Abwicklung« der Historiker der DDR und die Neubesetzung der Stellen verfolgte ich mit sehr gemischten Gefühlen. Viele Dozenten wurden »abgewickelt«, weil sie Stasi-Kontakte gehabt hatten oder besonders parteinah gewesen waren. Aber bei vielen anderen wiederum war das nicht der Fall. Viele Stellen wurden auch einfach gestrichen - es hieß, in der DDR habe es zu viele Hochschullehrer gegeben. Dabei wurde völlig übersehen, dass es in der Bundesrepublik im Vergleich zu anderen Ländern, zum Beispiel den USA, viel zu wenige Hochschullehrer gibt. Die Stellen wurden überwiegend mit »Wessis« besetzt, darunter einigen erstklassigen Leuten wie Heinrich Winkler, Wolfgang Kälble, Wolfgang Hardtwig und Rüdiger vom Bruch an der Humboldt-Universität, die zur bundesdeutschen Spitzenuniversität wurde, oder Gangolf Hübinger in Frankfurt/Oder und Lutz Niethammer in Jena. In vielen Fällen aber waren es zweitrangige Leute, die in der alten Bundesrepublik nicht richtig Fuß gefasst hatten. Nur nach einem bitteren Streit wurde Helga Schultz aus der ehemaligen DDR zur Professorin für Sozialgeschichte in Frankfurt/Oder ernannt, obwohl sie den westdeutschen Bewerbern deutlich überlegen war. Der Unterschied zwischen der Zeit nach 1945 in Westdeutschland und nach 1989 in Ostdeutschland war nicht zu übersehen. Während es nach 1990 in den neuen Bundesländern einen fast totalen Elitewechsel gab, waren wenige Jahre nach 1945 fast alle ehemaligen Nazis in die Hochschulen, die Justiz, das Beamtentum und die Bundeswehr zurückgekehrt.
Quelle: Zwei Seiten der Geschichte, S. 268 f – Georg Iggers