Im Sommer wollte ich Geld für mein weiteres Studium verdienen, aber es war schwer, einen Job zu finden. Kanada hatte damals noch viele Arbeitslose. Ich arbeitete einige Wochen in einer Wäschefabrik in Hamilton und in einer Pralinenfabrik in Brantford. Von dort holte mich mein Vater eines Tages ab; er war auf dem Weg zu einer Farm nördlich von Toronto und wollte, dass ich mit ihm dort hinfahre und ihm den Haushalt führe. Das war auch nicht von langer Dauer. Mr. Creed, ein steinreicher Mann aus Toronto, ließ sich von meinem Vater die Farm, die luxuriös ausgestattet sein musste, einrichten, mit dem Versprechen, ihn dann als Verwalter einzustellen, entließ ihn aber, sobald mein Vater das Vieh und das sonstige Inventar gekauft hatte.
Meinen längsten Sommerjob hatte ich auf der Farm in Brantford, die mein Vater inzwischen leitete. Er bestand hauptsächlich darin, zusammen mit Franz Eckstein, einem alten Junggesellen aus Teinitz, 29 Kühe zu melken - teilweise mit der Hand und teilweise mit der Maschine - und nachher den Stall und den Milchraum sauber zu machen. Außerdem kultivierte ich Mais. Franz hatte mich schon als kleines Mädchen in Teinitz auf dem Fahrrad in die Schule geschoben und mich mit Honigzuckerln gefüttert. In Kanada bei der Arbeit zitierte er oft aus Faust; ich erinnere mich an: »Ein Hund möcht so nicht länger leben«, sowie an: »Und gehst du auch auf ellenlangen Socken«, und das mit der Mistgabel in der Hand. Er hoffte noch immer, dass seine langjährige Geliebte, die nach New York emigriert und gerade verwitwet war, ihn jetzt heiraten würde - sie dachte jedoch nicht daran.
Quelle: Zwei Seiten der Geschichte, S. 43 – Wilma Iggers