Wilma Iggers erfährt Ablehnung als Jüdin

Mit Studierenden meines Fachbereichs freundete ich mich kaum an. Nur mit Marie Dunnington, einer älteren Studentin, die aus Deutschland eingewandert und mit einem Professor an der Loyola University verheiratet war, hatte ich häufiger Kontakt. Ich half ihr beim Studium, und sie revanchierte sich mit abgelegten Kleidern, die ich gut gebrauchen konnte. Ihr Mann war zu der Zeit bei der amerikanischen Marine. Einmal, als er auf Urlaub kam, besuchte er mich, war sehr freundlich und reichte mir gleich seine Autoschlüssel - ich könnte sie am Wochenende dazu benützen, um ihn und seine Frau in ihrem Wochenendhaus zu besuchen. Ich lehnte das ab, da ich keinen Führerschein besaß, fragte ihn aber, ob er mir ein Hotel in der Nähe empfehlen könnte, weil ich eine kanadische Freundin zum Wochenende erwartete. Er empfahl mir ein bestimmtes Hotel mit dem Hinweis, dort würden keine Juden aufgenommen. Wie immer in solchen Situationen fiel mir nichts ein, was ich hätte sagen können. Erst später schrieb ich Marie einen Brief. Sie wusste, dass ich Jüdin bin, hatte aber anscheinend nicht daran gedacht, es ihrem Mann zu sagen. Ich hörte nie wieder etwas von ihr.

Nach eindreiviertel Jahren - ich hatte inzwischen alle Kurse für die Promotion beendet - musste ich wieder nach Ottawa zur Zensur und blieb dort ein Jahr, bis zum VJ Day, am 14. August 1945, dem Tag des Sieges über Japan. Zu der Zeit wohnte ich bei einer Familie Porter. Mrs. Porter, mit der ich gut auskam, sagte mir bald, dass ihr Mann mir das Zimmer nicht vermietet hätte, wenn er gewusst hätte, dass ich Jüdin sei. Ich blieb trotzdem und dachte, dass ich schon im Stande sein würde, die Einstellung des Mannes zu ändern. Am VJ Day gingen wir zu Nachbarn feiern, und dort sagte Mr. Porter, der etwas angetrunken war, es sei schade, dass Hitler nicht alle Juden umgebracht habe.

Quelle: Zwei Seiten der Geschichte, S. 46 f – Wilma Iggers

Katalog-Nr.: T0096