Bis jetzt habe ich nur drei von Bertholds Berichten über diese Veranstaltungen an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen erhalten, die aber alle bestätigen, was er mir nach der Wende über deren Inhalt berichtet hat. Als Berthold im Mai 1969 die Genehmigung für meinen Vortrag beantragte, tat er dies mit folgender Begründung: »… die mit ihm geführten Diskussionen und das Studium der entsprechenden marxistischen Literatur wirkten sich auch bei der Überarbeitung seines Buches «Ideal of History.. .» (1968) positiv aus, in dem er sich auf diese Literatur beruft. Allerdings dürfte damit zu rechnen sein, dass er die Maßnahmen des 21. August (die Okkupation der Tschechoslowakei 1968 durch die Warschauer-Pakt-Staaten, G.I.) nicht akzeptiert.« Der Antrag wurde trotzdem bewilligt. 1983 schrieb Berthold: »Bei pazifistischer Orientierung war I. ein aktiver Gegner des Vietnamkrieges… Als bürgerlicher Historiker hat er sich - trotz Vorbehalte - für die Verbreitung von Ergebnissen der Geschichtswissenschaft der DDR eingesetzt.« Und 1985 schrieb er zu meiner Person: »Sein Auftreten als “nichtmarxistischer Historiker, der aber von Marx sehr viel gelernt habe» und sich voll für eine Koalition der Vernunft einsetzt, hinterließ auch hier einen starken Eindruck.« Da ich vermutete, dass die meisten meiner Zuhörer von westlichen Diskussionen und besonders von nichtdeutscher Literatur weitgehend abgeschnitten waren, wählte ich Themen, die in der DDR vernachlässigt worden waren: Arbeitergeschichte, Edward P. Thompson in England und Herbert Gutman in USA; Frauengeschichte, die »Annales«, Alltagsgeschichte, Historische Demographie, aber auch westlicher Marxismus und Kritische Theorie. Gelegentlich sprach Wilma in der Pädagogischen Hochschule Clara Zetkin über amerikanischen Feminismus und ihre Forschungen über die Frauenrechtlerin Grete Meisel-Hess.
Quelle: Iggers, Zwei Seiten der Geschichte, S. 203
Werner Berthold ist ein DDR-Historiker (https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Berthold)