Wir wussten praktisch nichts von Kanada, als wir dort ankamen. Ontario, die Provinz, in der wir landeten, war betont angelsächsisch und protestantisch. Obwohl Kanada nur wenige Einwanderer aufnehmen wollte und noch weniger Juden, war die Bevölkerung uns gegenüber freundlich gesonnen, wenn auch zumeist auf eine oberflächliche Art und sicher ohne die leiseste Ahnung davon, warum wir gekommen waren. Darüber, wie antisemitisch Kanada damals eingestellt war und wie wenigen Juden es bis zum Ende des Krieges gelang, nach Kanada einzureisen, gibt es ein sorgfältig dokumentiertes Buch: »None is too Many« von Harold Troper und Irving Abella. Der Titel ist der Wortlaut der Antwort des damaligen kanadischen Einwanderungsministers Blair auf die Frage, wie viele Juden Kanada aufnehmen sollte.
Die erste Frage vorort lautete meistens: »How do you like this country?« Die zweite war dann: »What church do you go to?«. Manche von unseren Leuten leugneten mehr oder weniger nachdrücklich, dass sie Juden seien. Nicht wenige gaben sich zunächst als Katholiken aus. Dass Katholiken in Ontario ebenfalls nicht sehr beliebt waren, wussten sie dabei wohl nicht. Anders als heute hatte ich damals kein Verständnis für das Verleugnen unserer jüdischen Herkunft. Heute weiß ich, dass viele von uns nur wenig oder nichts über die jüdische Religion und Geschichte wussten und ihren Kindern die Erfahrung antisemitischer Vorurteile ersparen wollten. Die, die Juden blieben, schlossen sich zuerst lose und später dann immer enger der Hamiltoner Reformsynagoge an.
Quelle: Zwei Seiten der Geschichte, S. 37 f – Wilma Iggers