In Wahrheit jedoch war New Orleans, was die Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen anbelangte, viel rückständiger als Little Rock. Die Verhältnisse in New Orleans und allgemein in Louisiana entsprachen denen im tiefsten Süden, während Little Rock und der westliche Teil von Arkansas durchaus bereit waren, auf dem Hintergrund wirtschaftlicher Modernisierung auch die rigiden Rassenschranken stufenweise abzubauen.
Ich wurde sehr bald nach meiner Ankunft in New Orleans zum Vorsitzenden des Education Committees der Ortsgruppe der NAACP ernannt. Die Lage in New Orleans erwies sich als erheblich schwieriger als in Little Rock.
In New Orleans war ein Gespräch mit dem Schulbeirat undenkbar. Die Schulbehörde musste durch einen langwierigen Prozess erst gezwungen werden, im November 1960 endlich fünf Mädchen in die erste Klasse zweier Volksschulen aufzunehmen. Eines der fünf Mädchen wurde dann wieder ausgeschlossen, weil sich herausstellte, dass es unehelich geboren war. Der Staat Louisiana verbot zunächst die NAACP, was aber von den US-Gerichten als verfassungswidrig zurückgewiesen wurde. Während sich der Prozess in die Länge zog, verfolgte der Bundesstaat die NAACP mit Verhaftungen und Hausdurchsuchungen. Auch zwei weiße Anwälte, die sich für die Abschaffung der Rassentrennung einsetzten, wurden verhaftet. Das Landesparlament schuf ein »Committee for Unamerican Activities«, das Personen, die sich für die Abschaffung der Rassentrennung engagierten, unter Druck setzte. Auch ich soll in ihren Akten vorkommen, die ich allerdings bis jetzt nicht gesehen habe. Die Ortsgruppe der NAACP arbeitete in dieser Zeit der Illegalität unter dem Namen »New Orleans Improvement League« recht ungestört weiter.
Quelle: Zwei Seiten der Geschichte, S. 123 f Georg Iggers