Kuba-Krise

Im Oktober 1962 war die Kuba-Krise. Wilmas und meine Begeisterung für Castro endete schon im Frühjahr 1959, als Castro mit der Hinrichtung politischer Gegner begann, was zu der Zeit von vielen Amerikanern noch als Ausdruck revolutionärer Justiz verstanden wurde. Wir bekamen ein deutlicheres Bild davon, wie es in Kuba politisch zuging, als einer meiner schwarzen Studenten an der Dillard University, der während der Weihnachtsferien seine Familie in Kuba besucht hatte, zurückkam und uns ganz erschüttert davon erzählte, wie er stundenlang von der Polizei verhört worden war, nachdem er sich mit Freunden in einem Café getroffen hatte. Andererseits hielten wir die ökonomischen Sanktionen gegen Kuba für falsch und waren der Auffassung, dass die von Amerika organisierte gescheiterte Landung in der Schweinebucht und die ebenfalls von Amerikanern unterstützten Guerilla-Angriffe Castro geradezu dazu zwangen, sich mit der Sowjetunion zu verbünden. Im Oktober wurde eine nukleare Auseinandersetzung zwischen den USA und der Sowjetunion allseits befürchtet. Uns erschreckte, wie einhellig die öffentliche Meinung, getragen auch von meinen schwarzen Kollegen an der Dillard University, Kennedys Konfrontationskurs unterstützte. In New Orleans rechnete man mit einem möglichen Angriff auf die Stadt. New Orleans liegt großteils unterhalb des Meeresspiegels und ist von Deichen umgeben, so dass bei einer Atomexplosion die Stadt überschwemmt werden würde. Es gab nur zwei Ausfallstraßen, eine rechtzeitige Evakuierung der Stadt wäre daher unmöglich gewesen. Wir sahen der Katastrophe keineswegs so stoisch entgegen wir unsere Bekannten und beschlossen deshalb, in unserem VW mit den Kindern nach Hattiesburg im Bundesstaat Mississippi, etwa 200 Kilometer nördlich von New Orleans, zu flüchten, wo der Rabbiner des Reformtempels uns Zuflucht angeboten hatte. Aber an dem Freitagabend, als wir schon packten, kam die erlösende Nachricht, dass Chruschtschow und Kennedy sich geeinigt hatten.

(Quelle: Zwei Seiten der Geschichte, S. 163 f – Georg Iggers

Katalog-Nr.: T0030