Bald nach unserer Ankunft in Buffalo fing ich an, mich intensiv in der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit zu engagieren, die sich seit ihrer Gründung im Ersten Weltkrieg für Frieden und internationale Verständigung einsetzte. Wir waren zu der Zeit in erster Linie mit dem Vietnamkrieg beschäftigt. Ich wurde Vizepräsidentin, dann Präsidentin der Gruppe in Buffalo. Aber oft, wenn ich nach einem langen Abend nach Hause fuhr, fragte ich mich: Haben wir etwas erreicht? Die Antwort war nein. Sie war auch nein, wenn ich mich fragte, ob es denn wenigstens ein anregender Abend unter Freundinnen gewesen sei. Ich wusste, dass es viel sinnvoller gewesen wäre, wenn ich die Abende mit den Kindern verbracht hätte. Nur kamen diese ja allmählich in ein Alter, in dem sie nicht so sehr auf die Gesellschaft ihrer Mutter reflektierten. Aber zurück zur Liga oder WILPF, wie sie oft genannt wird: die lautstärksten Mitglieder waren oft die schwierigsten und hielten Streit für das Normale. Eine Frau etwa war davon überzeugt, dass sich in die Gruppe eine Agentin eingeschlichen habe - mit der Zeit kam ich darauf, dass sie mich meinte. Andererseits lernte ich dort einige meiner besten Freundinnen kennen. Halina Kantor, die als Kind dem Holocaust in Polen knapp entkommen war und später mit ihrem Mann in einer alternativen Siedlung im amerikanischen Süden gelebt hatte, beeindruckte mich als einfühlsam, natürlich und altruistisch. Sie ist mit ihrem Mann und ihren Kindern 1968 wegen des Vietnamkriegs nach Toronto gezogen. In der WILPF-Gruppe war auch Miriam Becker, sicher diejenige unter unseren Freunden, die sich am meisten für Frieden und soziale Gerechtigkeit engagiert hat.
Mit der Zeit kam ich darauf, dass in der Organisation große Sympathien für den sowjetischen Kommunismus vorherrschten. Als ich 1966 von meiner ersten Reise in die Tschechoslowakei zurückkam, berichtete ein WILPF-Mitglied über eine Reise in eben dieses Land. Diese Frau, die nicht mit der normalen Bevölkerung in Kontakt gekommen war, sah alles ganz anders als ich. Sie war von den sozialistischen Errungenschaften begeistert.
Ich machte dann Erfahrungen, die mich veranlassten, die Liga nicht mehr zu unterstützen. Immer wieder waren wir in den siebziger Jahren aufgerufen worden, für die von Pinochet verfolgten chilenischen Anhänger Allendes zu spenden, Aktionen, die ich selbstverständlich unterstützte. Als ich in der WILPF-Zentrale in Philadelphia anregte, Ähnliches für die in der Tschechoslowakei politisch Verfolgten zu tun, wurde mir nur mitgeteilt, dass WILPF nicht zu den »red baiters« (Kommunistenfressern) gehören wolle. Mein Engagement bei der WILPF wurde mir von einigen Kollegen und der Verwaltung im Canisius College übel genommen und auch in meiner Personalakte vermerkt.
Quelle: Zwei Seiten der Geschichte, S. 188 f – Wilma Iggers