Anfangs war für uns auf dem Dillard-Campus keine Wohnung frei gewesen, und so mussten wir in die Siedlung Parkchester ziehen, die aus vielen roten Ziegelblöcken mit je acht Wohnungen bestand. Dort wohnten meistens »Zugereiste« aus den Südstaaten, die sich wirtschaftlich und gesellschaftlich unsicher fühlten. Die Nachbarn wussten, dass wir an der Dillard University unterrichteten, und pinselten immer wieder vor unseren Namen auf dem Namensschild am Eingang ein N - also Niggers. Dort wurden wir auch zum ersten und einzigen Mal während unseres Aufenthaltes im Süden mit Gewalt bedroht, die sich auf eine ganz gemeine Weise gegen unsere Kinder richtete. Im selben Haus wohnte ein Doktorand des Fachs Geschichte an der Tulane University mit Frau und Kindern. Die Familie war kurz zuvor aus Memphis im südlichen Bundesstaat Tennessee gekommen. Er gestand Georg, dass er und besonders seine Frau mit starken Vorurteilen gegen Schwarze aufgewachsen seien und dass er gern intelligente Schwarze kennen lernen möchte. Er würde gern zu uns kommen, wenn wir schwarze Kollegen eingeladen hätten, aber seine Frau lehnte das ab. Wir luden ihn dann für einen Abend ein, an dem wir einen Kollegen, einen schwarzen Philosophen und Theologen, und seine Frau zu uns eingeladen hatten, aber er kam nicht. Am nächsten Tag bekamen wir einen Anruf vom Verwalter der Wohnungen, dass der Doktorand und seine Frau sowie auch ein zweites Ehepaar sich bei ihm beschwert hätten, dass wir Schwarze eingeladen hatten, und ihn aufgefordert hatten, uns zu kündigen. Der Verwalter sagte ihnen, es sei unser gutes Recht einzuladen, wen wir wollten. Gleichzeitig riet er uns, uns nicht vor der Haustür von unseren Gästen zu verabschieden, wie wir es getan hatten. An dem Abend, als die Kinder auf dem Spielplatz hinter dem Haus waren, hörten wir ein Geschrei und beobachteten, wie die Frau des Doktoranden unseren vierjährigen Daniel von der Schaukel schubste und verjagte. Als Georg die Tür öffnete, flüchtete die Frau in ihre Wohnung. Dann kam ihr Mann aus dem Haus, pöbelte Georg an und forderte ihn zu einem Faustgefecht heraus, in das dieser sich nicht einließ. Wir waren plötzlich von Nachbarn umgeben, die mit Ausnahme eines Mannes, der uns beschimpfte, das Ganze schweigend betrachteten. Am nächsten Tag berichteten wir den Vorfall dem Präsidenten der Dillard University, der dafür sorgte, dass wir innerhalb von wenigen Tagen eine Wohnung auf dem Campus bekamen. Interessanterweise wurden mehrere der Nachbarn, die uns bis dahin ignoriert hatten, jetzt besonders freundlich und gaben uns zu verstehen, dass sie den Vorfall bedauerten.
(Iggers, Zwei Seiten der Geschichte, S. 135 f - Georg Iggers)