Als Georg gegen Ende des zweiten Jahres in Chicago eine Stelle an der State University of New York at Buffalo angetragen wurde, war ich auch dafür, dass er sie annahm. Nachdem ich durch die Vermittlung des Dekans an der Loyola University ein Angebot vom Canisius College in Buffalo, auch eine Jesuiten-Universität, bekommen hatte, gab es keine Zweifel mehr, dass wir nach Buffalo ziehen würden.
Als Undergraduate College hatte Canisius nicht nur in den Sozial- und Humanwissenschaften, sondern auch in den Naturwissenschaften und in Betriebswirtschaft einen guten Standard. Ich hatte in diesen Fachbereichen anregende Gesprächspartner. Einer von ihnen war Larry Jones, der gleich nach seiner Promotion als Spezialist für Deutsche Geschichte an das Canisius College kam. Er und seine Frau Nancy Rosenbloom, Professorin für amerikanische Kulturgeschichte, zählen noch immer zu unseren besten Freunden in Buffalo. Aber das Modern Languages Department war anders. Mit Ausnahme von Judy Mendels, einem Original, über das sich viele Kollegen mokierten, waren meine Kollegen nicht an wissenschaftlicher Arbeit interessiert. Das waren meine Kollegen an der Loyola University auch nicht gewesen, aber sie hatten sie immerhin respektiert. Ich blieb Außenseiterin, auch wenn meine Kollegen im Fachbereich unter einander kaum freundschaftliche Beziehungen pflegten. Der erste Chairman machte kein Hehl aus seinem Antisemitismus. Sein Nachfolger, ein Österreicher, der in der deutschen Luftwaffe gedient hatte, war überzeugt, dass ich ihn für einen Nazi halten müsste. Dem dritten Institutsleiter waren Frauen überhaupt zuwider. Der letzte Institutsleiter machte zudem vage Andeutungen über meine Lehrmethoden, ohne mir je konkret zu sagen, was er eigentlich damit meinte. An der staatlichen Universität konnte ich nicht lehren, weil es ein New Yorker Gesetz gab, das so genannte »Nepotism Law«, das es Ehepaaren verbot, an derselben staatlichen Universität zu lehren.
Mit den Studenten, besonders mit denen, deren Hauptfach Deutsch war, kam ich gut aus. Nach einiger Zeit wurde einer meiner vier Kurse durch die Verwaltung des Fellowship Office ersetzt. Dort hatte ich viel mit Studenten zu tun, die sich um ein Stipendium für eine Graduate School bewerben wollten. Nach meinem ersten Jahr wurde ich zum Associate Professor befördert und schließlich zum Professor. Da ich in den frühen Jahren zu den wenigen Fakultätsmitgliedern gehörte, die wissenschaftlich publizierten, bekam ich häufig Forschungsgelder, was mir von Anfang an einen gewissen Ruf eintrug.
Im Laufe der Jahre, die ich am College lehrte, 1965-1991, veränderte sich dieses sehr. Der »Index librorum prohibitorum« wurde abgeschafft, die Kruzifixe verschwanden aus den Klassenzimmern. Das Jahr, in dem ich dort ankam, war das erste, in dem Frauen dort mit den gleichen Rechten studieren konnten wie Männer. Ich war die erste verheiratete Professorin mit Kindern. Es gab allmählich immer weniger obligatorische Kurse in Religionswissenschaft und Philosophie. Immer mehr Frauen wurden berufen, aber auch immer mehr Protestanten und Juden. Ein protestantischer Pfarrer, ein Reformrabbiner und kurze Zeit auch eine Buddhistin lehrten Religionswissenschaften. In der Verwaltung und im Lehrkörper waren immer weniger Priester, und als ein Professor, ein Jesuitenpater, aus dem Orden austrat, heiratete und weiter unterrichtete, wunderte sich schon niemand mehr.
(Zwei Seiten der Geschichte, S. 186 ff – Wilma Iggers)