Oral History ist
Mit Oral History-Methoden erforschen Historiker insbesondere die Alltagsgeschichte von Personen aus der Unterschicht, für die es nur wenige schriftliche Quellen gibt - und auch diese meist nur zu speziellen Anlässen (z.B. Finanz- und Prozessakten, Kirchenbücher, Gesellenbücher, Musterungen). Durch die mündliche Befragung von Betroffenen und Interviews von Zeitzeugen gehen die Historiker den persönlichen Geschichtserfahrungen und jenen Aspekten der Vergangenheit auf den Grund, die die Menschen jenseits des politischen Geschehens bewegten.
Die mündlichen Formen der Geschichtsforschung erfordern allerdings eine hohe Sorgfalt bei der Interpretation, weil die persönliche Wahrnehmung der Befragten von vielen Einflüssen abhängt (u.a. Stimmung, emotionale Betroffenheit, politische Einstellung, Weltanschauung, Erinnerungsfähigkeit, damaliger Informationsstand).
Mündliche Befragungen dienen neben der Ergänzung “offizieller” Geschichte auch zur Einschätzung ihrer Bedeutung für den Einzelnen, zur Kontrolle schriftlicher Quellen, sowie zur Erfassung von Lebensläufen und ihren systematischen Zusammenhängen. Manchmal werden sie auch zum Festhalten von Expertenwissen eingesetzt.
Die Methodik der Gespräche, die im Regelfall auf einem Tonträger aufgezeichnet werden, kann sehr verschieden sein:
Als deutschsprachiges Pionierwerk der Oral History gilt der erste Band von Lutz Niethammers Studie Lebensgeschichte und Sozialkultur im Ruhrgebiet 1930-1960: Band 1, Faschismuserfahrungen im Ruhrgebiet. Berlin, Dietz Verlag 1983.